Blogeintrag von Isabelle Henning | 21.06.2018

Interkulturelle Sensibilisierung

bei den Lesepaten Frankfurt.
Isabelle Henning unterstützt Frankfurter Lesepaten mit einem interaktiven Workshop zum Aufbau von Kulturverständnis.
3er Gruppe

Kulturen verstehen

Die kulturelle Vielfalt in unserem Land nimmt ständig zu. Viele Kinder kommen inzwischen aus Familien, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind. Im kulturellen Gepäck dieser Familien ist immer ein Stück Heimat enthalten – Werte, Normen und Glaubenssätze der Herkunftsregionen. Die Kinder dieser Familien wachsen mit beiden Kulturen auf. Die Frankfurter Lesepaten helfen den Kindern bei diesem kulturellen Brückenschlag.

Isabelle Henning (vorm.Schmitz), Trainerin und Beraterin der CONTUR Frankfurt, hat die Lesepaten in einem kostenlosen Vortrag bzw. moderiertem interaktiven Workshop zum Thema „Interkulturelle Sensibilisierung“ informiert und sog. culture awareness, also Kulturverständnis, aufgebaut.

World mit Karte

Schulung zur „Interkulturellen Sensibilisierung“

5 zentrale Kulturdimensionen

Unsere eigene Kultur umgibt uns wie das Wasser den Fisch: sie ist da und wir bemerken sie im Alltag kaum. Die Beschaffenheit unserer Kultur und unserer kulturellen Prägung können wir erst im Spiegel des Andersartigen erkennen. Über 60 interessierte Teilnehmer haben in der zweistündigen Fortbildungsveranstaltung „Interkulturelle Sensibilisierung“ fünf zentrale Kulturdimensionen kennengelernt. Hier spielen die Art der Kommunikation, wie Zeit individuell erlebt wird oder die Relevanz von Beziehungen eine große Rolle. Die Zuhörer hatten die Möglichkeit, ihren eigenen Standort bei diesen Dimensionen zu bestimmen und sich selbst einzuschätzen.

Wie wirken sich diese Dimensionen auf das Verhalten von Kindern aus?

Anhand von konkreten Fallbeispielen haben die Gäste erfahren, wie diese Dimensionen auch Einfluss auf das Verhalten der Kinder haben können, wenn auch meist auf indirekte Weise. Folgendes Beispiel erläuterte Isabelle Schmitz:

Wenn die Kinder auf dem Schulhof sich streiten, weil einige Schweinefleisch essen und andere nicht, kann es auf einen westlich geprägten Zuschauer befremdlich wirken. Natürlich können die Kinder auch darüber streiten, wer Fisch isst oder Spinat; allerdings würde das weniger Aufmerksamkeit hervorrufen. Denn bei Schweinefleisch liegt die Vermutung nahe, dass es gar nicht um das Fleisch an sich geht, sondern um tieferliegende Hintergründe wie Religion und damit Gruppenzugehörigkeit. Das Schweinefleisch ist für die Kinder eine verständliche Größe im Gegensatz zum abstrakten Konzept „Religion“.

 

In der deutschen Kultur werden Essensgewohnheiten nur noch selten mit Religion in Verbindung gesetzt, obwohl der Fisch am Freitag oder die Fastenzeit durchaus noch geläufig sind. Wer diese Bräuche heute achtet, tut es inzwischen eher aus individuellem Antrieb heraus und nicht aufgrund der Vorschrift einer Gruppe. Religion ist für die meisten eine private und keine öffentliche Angelegenheit mehr.

Für gläubige Muslime strukturiert die Religion den Alltag und bietet Orientierung, was angemessenes Verhalten ist. Über das Verhalten kann dann auch klar erkannt werden, wer zugehörig zur eigenen Gruppe ist und wer nicht. In eher beziehungsorientierten Kulturen sind persönliche Verbindungen und Netzwerke besonders wichtig. Es kann also durchaus ein Erfolgsfaktor sein, wenn man sich anpasst und an die Vorschriften hält.

 

Die eigene kulturelle Prägung kennen

Was meine eigene Verbindung zum Thema Essensvorschrift ist, beeinflusst also wesentlich, wie ich diesen Streit beurteile: wenn für mich Essen und Religion individuelle Angelegenheiten sind, empfinde ich es als übertrieben, vielleicht auch einengend und engstirnig, Menschen anhand ihrer Essensgewohnheiten einzuordnen. Grundsätzlich gilt bei dem Thema Kultur: es gibt es kein „Normal“, keinen Nullpunkt. Ich kann andere Kulturen nur aus meiner ebenfalls kulturell geprägten Perspektive sehen, dabei fehlen mir aber teilweise wichtige Informationen, um meine Beobachtungen richtig einzuschätzen. Daher ist es so wichtig, sich selbst und seine eigene kulturelle Prägung zu kennen.

Den Teilnehmern blieb genügend Zeit für den Erfahrungsaustausch und sie konnten viele Impulse für die tägliche Arbeiten mit den Kindern aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen sammeln. Und am Ende gab es viel Applaus für die fachkundige Moderation von Isabelle Schmitz und Dank an CONTUR, die Arbeit der Lesepaten mit dieser Veranstaltung zu unterstützen.