Führungskulturen verändern
Aber wie lässt sich das erreichen?
Viele Unternehmen haben Mut als Unternehmenswert. Und dies geschieht aus guten Gründen. Die Herausforderungen, vor denen viele Unternehmen und wir als Gesellschaft stehen, sind uns allen hinlänglich bekannt. Bisher übliche und in der Vergangenheit durchaus sinnvolle Vorgehensweisen zu verlassen, wird immer drängender.
Doch etwas Neues zu tun, Innovationen zu fördern und veränderte Führungskulturen durchzusetzen, ist durchaus mit Risiken verbunden und erfordert Mut: als Individuum, als Team, als Organisation und als Gesellschaft.
Was schafft mutigere Führungskulturen?
In den Unternehmen, in denen ich langjährig gearbeitet habe, hatten wir auch Mut als Unternehmenswert. Als verantwortliche HR-lerin wollte ich die Unternehmenswerte in den Alltag bringen und zu einer guten und inspirierenden Arbeitsumgebung beitragen.
Mit vielen Maßnahmen haben wir an der Schaffung einer Vertrauenskultur gearbeitet, die von Offenheit und einem konstruktiven Umgang miteinander geprägt sein sollte. Von Workshops zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, was wir im Alltag darunter verstehen und welche Verhaltensweisen förderlich sind, bis zu Mitarbeiterbefragungen, 360 Grad Feedback-Prozessen und Change Agent-Programmen. Auch die vielen „dialogorientierten“ Austauschformate halfen sicherlich eine vertrauensvollere und offene Unternehmenskultur zu entwickeln.
Aber: sind wir als Organisation mutiger geworden? Oder hing es von einzelnen Akteuren und ihren Führungsstilen ab?
Systematische Entwicklung von Mut
Aus dem Buch „Mutig weiter! Dein Weg zu guter Arbeit und starker Führung.“ von Florence Marie Guesnet generierte ich zwei Erkenntnisse.
Mut ist entwickelbar. Und: Mut ist die Bewältigung von Angst und Zweifel.
Dies inspirierte mich als überzeugte (und zertifizierte) Anwenderin der Four Rooms of Change von Claes Janssen, diesen hilfreichen Ansatz nutzbar zu machen, um an einer systematischeren Entwicklung von Mut in Organisationen zu arbeiten.
Die Nutzung von Four Rooms ist aus zwei Perspektiven wertvoll: zum einen, um Mut zu entwickeln als einzelner Mensch, und zum anderen als Organisation.
Oftmals verbleibt es bei Appellen: „Wir müssen mutiger werden“, aber das „Wie schaffen wir das“ bleibt zumeist unklar.
Damit dies handhabbarer, transparenter und vor allem „messbarer“ wird, bietet der Four Rooms Ansatz ein hilfreiches Paket an Theorien, Modellen und Instrumenten.
Four Rooms of Change
von Claes Janssen
Die Four Rooms von Claes Janssen beschreiben, dass wir uns als Mensch je nach Situation in einem emotionalen Zustand befinden. Claes Janssen hat die vier Raume empirisch entwickelt und beschreibt sie als „States of Mind“. Diese vier Räume sind die Zufriedenheit, die Leugnung, die Verwirrung und die Inspiration.
Darüber hinaus beschreibt die Theorie, wie wir durch die Räume gehen – und zwar genau in der Reihenfolge wie sie gerade beschrieben wurden. Von der Zufriedenheit über eine Leugnung, Verwirrung zur Inspiration und Zufriedenheit. Abkürzungen gibt es nicht.
Wenn wir uns also im Raum der Zufriedenheit befinden, oder in der Inspiration, ist keine Veränderung oder mutiges Verhalten notwendig. Sind wir in einer privaten Situation, in der bspw alles gut läuft, brauchen wir keinen Mut – erst dann, wenn es kriselt.
Genau in dem Moment, wenn wir es noch nicht wahrhaben wollen, aber schon spüren, dass etwas nicht mehr so richtig stimmt.
Wir brauchen Mut, sich dem zu stellen. Und es braucht Mut, in die Unsicherheit zu gehen, ins Unbekannte und das macht Angst. Es braucht Mut, Entscheidungen zu treffen.
Mut im beruflichen Umfeld
Dies ist genauso notwendig im beruflichen Umfeld. Sind wir in einem Meeting, in dem ein konstruktives Klima herrscht, in dem wir uns wohl und sicher fühlen, alle offen ihre Meinungen einbringen können und keiner bloßgestellt wird, dann ist Mut nicht notwendig.
In Situationen, in denen wir uns unwohl fühlen, etwas als unfair und kränkend empfinden oder Entscheidungen intransparent gefällt werden – dann brauchen wir Mut.
Die Four Rooms helfen dabei, sich zu verorten, oder andere zu unterstützen zu erkennen, wo sie stehen und unterstützen bei dem Weg zur Inspiration oder Zufriedenheit zurückzukehren.
Als Individuum gehen wir permanent durch die Vier Räume und wenn wir es schaffen, „die Türen“ offenzuhalten, stärken wir unsere Veränderungsfähigkeit, mit Angst und Zweifel umzugehen und werden mutiger. Unterschiedlich stark – aber die Herausforderungen sind ja auch völlig unterschiedlich.
Der Weg zu einer mutigen Organisation
Der Weg zu einer mutigen Organisation sieht aus Sicht der Four Rooms so aus, dass man Strukturen, Prozesse und eine Führungskultur schafft, die es ermöglicht, dass viele Menschen sich in den Räumen der Zufriedenheit und Inspiration aufhalten.
- Der Raum der Zufriedenheit aus organisationaler Perspektive ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen sich sicher und anerkannt fühlen und damit ihr Potential auch einbringen können. Indikatoren sind Effizienz und Produktivität.
- Im Raum der Inspiration ist positive Energie spürbar, es ist wahrnehmbar, dass Ideen eingebracht werden, der Blick auch nach außen gerichtet ist. Es findet ein konstruktives kritisches Hinterfragen statt, ein positiver Teamspirit ist spürbar und auch Mut ist sichtbar, da Herausforderungen angegangen werden.
- Die Räume Zufriedenheit und Inspiration stärken sich gegenseitig und wenn sich viele in der Organisation oder im Team in diesen Räumen befinden, werden Entscheidungen mutiger getroffen, Veränderungen umgesetzt und Neues ausprobiert.
Indikatoren von unsicheren Führungskulturen
Die Räume der Leugnung und Verwirrung stärken sich auch gegenseitig, aber leider mit negativen Effekten. Es entstehen Führungskulturen, in denen nicht offen die Meinung geäußert wird, sowie Angst und Unsicherheit herrschen. Und typisch kennzeichnend für den Raum der Verwirrung ist Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, Frustration – erkennbar auch an Fehlzeiten und einer hohen Fluktuationsquote. Nun ist mutiges Handeln gefragt, um etwas zu verändern.
Für jeden Raum gibt es eine Reihe von Indikatoren. Diese helfen aus Führungsperspektive, ein Team oder eine Organisation einzuschätzen. Dies aber gemeinsam und aus unterschiedlichen Perspektiven unter Einbezug der Führungskräfte und Mitarbeitenden zu ermitteln, schafft eine Stärkung der Veränderungsbereitschaft bzw -fähigkeit und erfordert: MUT. Die Themen anzupacken, die Mitarbeitende in die Leugnung oder Verwirrung treiben. Aus der Sicht von Four Rooms geht dies nur unter der Beteiligung aller betroffenen Menschen.
Wo stehen Mitarbeitende und Teams:
der Online „Pulsmesser“
Auch in unserer eigenen Organisation, in der CONTUR GmbH, ist mutiges Handeln und Veränderungsfähigkeit notwendig. Das Umfeld, der Wettbewerb, die Digitalisierung und nicht zuletzt die Pandemie haben unser Geschäftsumfeld stark verändert. Uns war und ist es wichtig, dass wir ein Arbeitsumfeld der Zufriedenheit und Inspiration bieten. Mutiges Handeln ist nahezu täglich in allen Bereichen in einer kleinen Organisation notwendig, um agil und schnell zu bleiben.
Mit einem Online – „Pulsmesser“ mit insgesamt 40 Fragen erheben wir, wo wir stehen. Alle Mitarbeitende arbeiten mit ihren direkten Vorgesetzten an Lösungen, um sich selbst und als Team in der Zufriedenheit und Inspiration zu halten und um Hindernisse abzubauen, die zur Leugnung oder Verwirrung führen.
Dies ist ein permanenter Prozess. Damit wir dranbleiben, haben wir dieses Vorgehen im Rahmen von Nachhaltigkeit in unsere Zielsetzung aufgenommen und wir führen den Pulsmesser, durch die Teamleitenden selbst initiiert, zweimal pro Jahr durch. Denn damit zeigen wir, dass wir ernsthaft an einer guten und inspirierenden Arbeitsumgebung arbeiten wollen. Und wir stärken die Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisationsfähigkeit und machen im Alltag eine Mut fordernde Kultur erlebbar.
Der Pulsmesser: Instrument und involvierender Prozess
Wie lässt sich mutiges Handeln messen?
Mutiges Handeln hängt von vielen Einflussfaktoren ab: der Führungskultur, den Rahmenbedingungen und natürlich von den verschiedenen Persönlichkeiten. Das Ergebnis mutigen Handelns ist sichtbar und spürbar – es werden schneller Entscheidungen getroffen, neue Dinge ausprobiert, klar und deutlich auch mal „Nein“ gesagt. Dies sind alles sichtbare, aber schwer direkt kausal messbare Ergebnisse.
Messbar ist allerdings, inwieweit die Voraussetzungen für mutiges Handeln gegeben sind. Eine Analogie zur Gartenarbeit verdeutlicht es: die Beschaffenheit des Bodens kann analysiert werden und man kann die Voraussetzungen für eine gute Ernte schaffen. Und so arbeitet der Pulsmesser. Man kann ermitteln, in welchen Räumen sich die einzelnen Menschen befinden und wo es Handlungsbedarf bezüglich Klarheit, Zielsetzung und Infrastruktur gibt. Hieran zu arbeiten, ermöglicht ein positives und Sicherheit vermittelndes Umfeld.
FAZIT: Rückblickend hätte mir bei der Arbeit an einer neuen Führungskultur und bei der Umsetzung des Unternehmenswertes „Mut“ in früheren HR-Rollen das Konzept und die Instrumente von Janssen´s Model: Four Rooms sehr geholfen, um Führungskräften pragmatische und handlungsorientierte „Werkzeuge“ an die Hand zu geben – die nebenbei auch ihre persönliche Veränderungsfähigkeit stärkt.
Interviewpartnerin
Dr. Angelika Schrand ist Geschäftsführerin der CONTUR. Mit ihrer weitreichenden HR – und Changemanagement Expertise aus Tätigkeiten in verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen nimmt das Thema Veränderungen und Nachhaltigkeitsmanagement einen besonderen Stellenwert bei ihr ein. Also Themen, die immer wieder viel Mut erfordern!
Interviewpartnerin
Dr. Angelika Schrand ist Geschäftsführerin der CONTUR. Mit ihrer weitreichenden HR – und Changemanagement Expertise aus Tätigkeiten in verschiedenen Branchen und Unternehmensgrößen nimmt das Thema Veränderungen und Nachhaltigkeitsmanagement einen besonderen Stellenwert bei ihr ein. Also Themen, die immer wieder viel Mut erfordern!